Julia Rupprecht - Kommunikationstrainerin & Speaker

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Lass mich in Dir lesen, Baby!

Wer die Arme verschränkt, zeigt Abwehr und Ablehnung.
Wer die Schultern hebt, verteidigt sich.
Wer den Kopf gerade hält, weiß was er will.
Wer seine Beine überschlägt, zeigt dass er sich der einen Seite zuwendet, und mit der anderen nichts zu tun haben will.

Haben Sie schon mal eine oder mehrere dieser Aussagen gehört? Und auch geglaubt?
Es erscheint ja als plausibel und einleuchtend, dass der Körper unsere eigentlichen Motive, Gefühle und Intentionen „verrät“. Doch werden solche Pauschalaussagen unserer menschlichen Psyche, unserer Kommunikation und unserem sozialen Miteinander überhaupt gerecht?
Auf keinen Fall!

Doch dahinter befinden sich zwei all zu menschliche Sehnsüchte: Einerseits wollen wir selbst eine tolle Wirkung erzielen. Wir wollen Eindruck machen, imponieren und auch beeinflussen. Und mit solchen Rezepten weiß ich, wie ich mein körperliches Verhalten steuern muss. Andererseits wollen wir das Gegenüber deuten können. Wir wollen seine verborgenen Botschaften entschlüsseln, im Anderen lesen und auch Widersprüche und Lügen aufdecken. Und mit solchen Rezepten kann ich eindeutig sagen, was der Andere in Wirklichkeit denkt oder fühlt.

Das ist mit der Vorstellung verbunden, dass der Körper die vermeintlich "ehrliche" Ebene unseres Ausdrucks ist. Die Sprache kann lügen, doch der Körper hat immer Recht und kann eben nicht lügen. Deshalb muss ich den Körperausdruck deuten können, und ihm eine klare, eindeutige Aussage zuordnen. Eins zu eins Zuordnungen von Körperausdruck und Bedeutung sind aber keinesfalls zulässig. So muss man eine klare Unterscheidung zwischen Körpersprache und Körperausdruck treffen. Körpersprache sind die Gesten, die in einem Kulturkreis sprachlich konventionalisiert sind, wie z.B. Kopfschütteln oder der erhobene Daumen. Jeder weiß genau, was damit gemeint ist. Der Körperausdruck hingegen entwickelt sich situativ und personengebunden und lässt keine eindeutige Interpretation zu. Er erzeugt eine Wirkung, die wir aus unserer Erfahrung heraus interpretieren und beurteilen. Und Interpretationen unterliegen erfahrungsgemäß auch Fehlern.

Außerdem ist es mit der Vorstellung verbunden, dass es schon eine ganz klare Bedeutung im Inneren gibt, die durch den Körper nur noch zum Ausdruck gebracht wird. Sprache und Körper sollen also das Abbild einer im Inneren fertigen Bedeutung sein. Doch die Bedeutung dessen was ich sage, ist nicht schon im Vorfeld fertig: sie entsteht, entwickelt sich, wird beeinflusst und verändert, unterliegt verschiedenen Intentionen und Gefühlen, hängt von Wissen und Haltungen ab (...) Die Bedeutung ist etwas Dynamisches. Und damit sind auch unser Körperausdruck, unsere Sprache und unsere Stimme etwas Dynamisches.

Wir bringen uns zur Wirkung. Deshalb halte ich Folgendes für besonders wichtig: Halten Sie die Augen und Ohren offen und entwickeln Sie ein feines Gespür für die Menschen in Ihrer Umgebung. Das bedeutet offen zu sein, frei von Rezepten, Stereotypen, Vorurteilen und Kommunikationsdogmatismus. Unterstellen Sie nicht schon im Vorfeld, was Andere genau gemeint haben. Fragen Sie im Zweifelsfalle auch mal und beschreiben Sie, wie das körperliche Verhalten auf Sie gewirkt hat. Dann können Sie ja sehen, wie der Andere darauf reagiert...

Hier noch zwei Buchtipps, um sich tiefer mit diesem Thema zu beschäftigen:
Heilmann C.M. (2011): Körpersprache - richtig verstehen und einsetzen. München: Ernst Reinhardt Verlag.
Storch M. & Tschacher W. (2014): Embodied communication - Kommunikation beginnt im Körper, nicht im Kopf. Bern: Verlag Hans Huber.

Wie viel der Körper zur Wirkung bringen kann, zeigt Rowan Atkinson mit seinem unsichtbaren Schlagzeug. Viel Spaß dabei!