Stimmklang

Artikulation: Mach' den Mund auf!

Wenn sich der Kiefer, die Lippen und die Zunge nicht genug bewegen, wird die Artikulation vernuschelt und undeutlich. Das kann schon mal passieren, wenn man müde oder erschöpft ist. Aber manche Personen machen einfach aus Gewohnheit den Mund nicht auf und werden deshalb schwerer verstanden. Die Folge sind Äußerungen wie “Kannst Du das nochmal sagen? Ich hab’ Dich nicht verstanden” oder einfach nur ein fragender Blick. Gleichzeitig tun wir unserer Stimme keinen Gefallen, denn durch eine unpräzise Aussprache kann sich unser Stimmvolumen nicht vollständig entfalten und unter Umständen kann dies sogar zu einer Überbelastung der Stimme führen. Was kann man also gegen eine undeutliche Artikulation tun?

 

Artikulation ist die Lautbildung.

An der Artikulation sind die Lippen, der Kiefer, die Zunge und das Gaumensegel beteiligt.  (Photo: Screenshot aus VOCCO, Julia Rupprecht)

An der Artikulation sind die Lippen, der Kiefer, die Zunge und das Gaumensegel beteiligt.
(Photo: Screenshot aus VOCCO, Julia Rupprecht)

Durch die Bewegung von Lippen, Zunge, Kiefer und Gaumensegel wird aus dem Stimmton ein Klang. Durch die Bewegung wird die Form des Mundraums verändert. Der Stimmton klingt in diesem sich verändernden Raum, wodurch Laute, Silben und Wörter entstehen. Eine plastische Artikulation erhöht unsere Verständlichkeit und stärkt die Stimmresonanz. Gelingt dies dem Sprecher bzw. der Sprecherin, so muss er bzw. sie also nur wenig Kraft für die Stimmgebung aufwenden


Die Lippen sollen sich runden.

Das Sprechen erfordert intensive Lippentätigkeit. Durch Öffnen und Schließen, Runden und Spreizen können unterschiedliche Laute gebildet werden. Ist die Lippenmuskulatur zu schwach und die Beweglichkeit eingeschränkt, kann sich dies sowohl auf die Aussprache als auch auf die Resonanz der Stimme negativ auswirken. Die Rundung der Lippen ist für Vokale wie O, U, Ö und Ü besonders wichtig. Insgesamt verleiht die Rundung der Lippen, der Stimme mehr Resonanz, da sie wie ein Abschalltrichter, ähnlich einem Megaphon wirken.

Die Zunge ist ein Verformungskünstler.

Als das aktivste Artikulationsorgan gilt die Zunge. Sie ist extrem beweglich und kann ihre Gestalt wesentlich verändern. Durch das Zusammenspiel von Lippen und Zunge werden alle Vokale und Umlaute gebildet und auch bei der Bildung der meisten Konsonanten spielt die Zunge die entscheidende Rolle. Eine zu geringe Spannkraft der Zunge kann zu ungenauer Aussprache führen und auch den Stimmklang beeinflussen.

Der Kiefer ist wichtig für eine volle Stimme.

Der Unterkiefer ist ebenfalls an der Lautbildung beteiligt. Vom Grad der Kieferöffnung hängt das Volumen der Mundhöhle ab und das hat einen sehr großen Einfluss auf die Resonanz und Tragfähigkeit der Stimme. In vielen Fällen kann das Stimmvolumen schon durch die Weite der Kieferöffnung positiv beeinflusst werden. Da viele Personen aber auch Probleme mit Kiefer-verspannung haben, da sie z.B. in der Nacht Knirschen oder Pressen, ist hier in erster Linie für eine Entspannung des Kiefers zu sorgen.

Das Gaumensegel verschließt und öffnet den Nasenraum.

Das Gaumensegel regelt die Beteiligung des Nasenraums an der Lautbildung. Bei den meisten Lauten des Deutschen ist es gehoben und verschließt damit den Nasenweg – der Luftstrom entweicht überwiegend bzw. nur durch den Mundraum. In anderen Sprachen wir z.B. dem Französischen oder dem Portugiesischen gibt es wesentlich mehr nasalierte Laute. Durch die Absenkung des Gaumensegels wird also auch der Nasenraum zum Resonanzraum. Durch eine gewisse, natürliche Nasalität wird eine Klangfarbenänderung erreicht, wodurch die Sprache an Wohlklang gewinnt

Auf das Zusammenspiel kommt es an!

In dieser kleinen Animation wird gezeigt, wie das Zusammenspiel von Kiefer, Lippen, Zunge und Gaumensegel unsere Artikulation formt. Viel Spaß beim Anschauen!

Eine kleine Animation, die erklärt wie Artikulation funktioniert.

Üben Sie eine deutliche Artikulation durch das Sprechen von Zungenbrechern.

Eine gute Übung für eine deutliche Artikulation ist das Sprechen von Zungenbrechern. Hier finden Sie eine ganze Sammlung von Zungenbrechern. Machen Sie sich dabei bewusst welcher Laut oder welche Lautkombination im Zungenbrecher besonders häufig vorkommt. Versuchen Sie diesen Laut besonders klar auszusprechen. Es wird Ihnen helfen, wenn Sie sich den Inhalt des Zungenbrechers bildlich vorstellen und sinngemäße Pausen setzen. Versuchen Sie nach und nach Ihre Artikulationsgeschwindigkeit zu variieren. Mal etwas schneller, mal etwas langsamer.

Zungenbrecher zum Download

 

Trainieren Sie Ihre Artikulation online! Mit dem VOCCO-Kurs “Klar und deutlich sprechen!”

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Stimmliche Ahnenforschung

Stimme ist nicht nur naturgegeben. Natürlich gibt es eine körperliche Disposition, doch ist Stimm- und Sprechverhalten zu einem großen Teil erlernt: In der Interaktion mit unseren Eltern, Geschwistern, Freunden oder anderen Bezugspersonen machen wir verschiedenste Kommunikationserfahrungen, die unser Sprechverhalten prägen. So sind diese Bezugspersonen zum Beispiel ein Modell für unser eigenes Sprechverhalten. Außerdem wird unsere Stimme und unser Sprechverhalten immer wieder von Anderen in der Interaktion reguliert. Der Stimmklang kann darüber hinaus mit tieferen Bedürfnissen und Persönlichkeitsstrukturen in Verbindung stehen. Wenn Sie sich auf stimmliche Ahnenforschung begeben wollen, können Ihnen folgende Fragen helfen, die eigene Sprechweise zu reflekieren:

Bild: Julia Rupprecht

Bild: Julia Rupprecht

  1. Wie klingt die Stimme wichtiger Bezugspersonen? Welches Sprechverhalten zeigen sie? Wird in der Familie oder im Freundekreis z.B. immer leise oder immer recht laut gesprochen? Wie wird in der eigenen Familie kommuniziert? Welche dieser Verhaltensweisen gefallen Ihnen? Worauf sind Sie stolz? Was würden Sie gerne verändern? Mit welchen Verhaltensweisen verspüren Sie Schwierigkeiten?



  2. Welche Rückmeldung haben Sie zu Ihrer Stimme oder Ihrem Sprechverhalten bekommen? Haben Sie konkrete Sätze im Ohr? „Sei doch nicht so laut...“ „Sprich nicht so viel...“ „Erst überlegen dann sprechen...“. Gab es dabei einschneidende Erfahrungen? Zum Beispiel das Vorsingen in der Schule, ein Vortrag im Studium oder im Beruf, Gesprächsituationen im Privaten.

  3. Welche Wirkung möchten Sie erzielen? Wie möchten Sie anderen Menschen erscheinen? Gibt es da Bedürfnisse, die sich im Stimm- und Sprechverhalten zeigen? Zum Beispiel, dass Sie besonders nett erscheinen wollen, und deshalb z.B. unbewusst eine etwas leisere und höhere Stimme einsetzen. Oder wollen Sie besonders durchsetzungsfähig wirken und sprechend deshalb laut und polternd? Können Sie manche dieser Bedürfnisse auch über andere Verhaltensweisen realisieren?

Weitere Informationen zum Zusammenhang von Psyche und Stimme, sowie zu Stimmtraining im Allgemeinen finden Sie unter:
www.julia-training.com/stimmtraining

Zusammenfassung: Stimmliches Verhalten ist in einem großen Maße erlernt. Die eigene Stimme wird durch Vorbilder, Erfahrungen, Persönlichkeitsmerkmale, sowie aktuelle Emotionen und Bedürfnisse beeinflusst. Deshalb ist es lohnenswert diese Faktoren zu analysieren. Dabei findet man Entwicklungsmöglichkeiten für die eigene Stimme.